Alles halb so wild!
Ich muss zugeben, gestern Abend verspürte ich temporär so was wie den Beginn einer Panik-Attacke. Als ich in den Nachrichten das mit den hyper-solventen, kauflustigen Chinesen hörte. Charmant paranoid, wie ich nun mal bin, sah ich mich schon griesgrämig guckend von einer Horde klitze-kleiner gelber Menschen umzingelt. Schon wieder. Und bei aller gebotenen Nachsicht hat mich schon beim ersten Mal selbst die andauernde Anhimmelei (ich bin bleich, groß, rechthaberisch-verstockt und muffig, ich war DER Hit) nicht über das im wahrsten Sinne des Wortes Atem raubende Gewimmel hinweg trösten können.
Immerhin bestand das damalige Gewimmel, dem ich fast fünf Jahre ausgesetzt war, aus Japanern und um der Wahrheit die Ehre zu geben muss ich eingestehen, dass jene bedauernswerten Würstchen ganz sicher mehr unter meinen Schrullen zu leiden hatten als ich unter ihren. Ich könnte auch kurz und gehässig sagen: Ich habe meine Macken voll ausgelebt, während sie (so ungemein in der Überzahl) ständig über ihre kulturell bedingten Beschränkungen stolperten.
Was ich damit eigentlich sagen will?
Na, das ist doch sonnenklar.
Im buchstäblichen Sinn des Wortes. Denn während die vorerwähnte Panik-Attacke langsam Gestalt annahm, fiel mein Blick auf die Wiege der Sonne.
(Nein, ich habe keine Wiege mit einer Sonne in meinem Zimmer. Dumpfbacken.) Ich meine das Buch von Herrn Crichton. Das der 1992, auf dem Gipfel der Japan-Hysterie schrieb. Ach? Sie erinnern sich nicht mehr an die Japan-Hysterie? Hehe, ja. Sicher. Na, dann hoffe ich mal für Sie, dass Sie sich auf die Gnade der späten Geburt berufen können. Denn andernfalls gehörten Sie möglicherweise zu dem riesigen (Welt umspannenden) Heer jener unsäglichen Deppen, die mich damals mit ihrem Geschwafel von der Übernahme der Welt-(Wirtschaft) durch die universal solventen Japaner fast zu Tode geödet haben. Was nicht besonders für Sie spräche.
Die Japaner kaufen den Louvre!
Die Mona-Lisa hängt auf einem japanischen Klo!*
Die Japaner haben Hollywood übernommen!
Alle Banken! Die halbe USA!
Und fast alle europäischen Firmen mit mehr als drei Mitarbeitern!
Wir müssen alle japanisch lernen, weil japanisch spätestens im Jahr 2000 die Weltsprache sein wird!
Japanische Sprachschulen für Kleinkinder (und Karaoke-Bars für die erwachsenen Übernahme-Schisshasen) schossen allerorts wie Pilze aus dem Boden und um mich herum wimmelte es nur so von bekloppten Trotteln, die mich vorwurfsvoll anpiensten warum ich meinem Kind kein Japanisch beibrächte. Oder wenigstens das Essen mittels einem Paar lachhafter Stöckchen. (Aus Gründen, die mir ewig unerfindlich bleiben werden, hat sich mein Kind diese unappetitlich-peinliche Essens-Stocherei aus der Steinzeit selbst beigebracht, völlig ungerührt ob meiner Vorhaltungen, dass schon unsere keltischen Ahnen in Haithabu Gabeln kannten und benutzten. Aufmüpfiger Strolch. Gene sind blöde.)
Wie dem auch sei. Die japanische Wirtschaft wuchs und wuchs, woraufhin Herr Crichton sein Buch schrieb, das umgehend mit Herrn Connery im japanischen Schlabber-Gewand verfilmt wurde. Und Unmengen kleiner, unverständlicher brabbelnder Männchen in schwarzen Anzügen, die unentwegt donnernd „Hai!“ grölten. Ich dachte ja, das sollte ein lustiger Film sein. Hab selten so gelacht im Kino.
Meine Mitmenschen dachten das nicht. Die lernten fleißig Papierschnitzel in allerlei Formen zu falten, suchten ihr inneres Zen-Ich, meldeten sich in Dojos an um martialisch schreiend mit Stöcken aufeinander einzuprügeln, verwurmten ihre Gedärme mit rohem Fisch und verzierten sich als krönenden Abschluss mit japanischem Gekritzel zum Beweis ihrer Ergebenheit.
Ach ja!
Wie erfreulich sind doch manche Erinnerungen.
Vor allem die an jene Scharen westlicher Damen, die ganz mainstreamig brav wahrhaftig jene japanischen Schriftzeichen zum Beispiel am Ohr baumeln hatten, während sich der adäkwate Herr dieselben irgendwohin tätowieren ließ. Ich verabsäumte es nie beide Seiten mittels eines kleinen Lexikons erfreut zu belehren, dass ihre anbiedernden Verschönerungen keineswegs ‚Allumfassende Harmonie’ oder ähnliches, sondern in den meisten Fällen ‚Grunzendes Schwein’ und dergleichen bedeutete. Was, wie ich stets anfügte, doch immerhin für einen gewissen Rest-Humor der solcherart angeschleimten neuen asiatischen Welt-Herrscher sprach.
Dann platzte die ganze aufgeblähte Wirtschafts-Blase, die Japaner hatten einen Haufen Schulden am Hals (die ihre westlichen Schuldner, die mittlerweile saniert waren, keineswegs zurück zu zahlen gedachten) und übrig blieben ein paar Sushi kauende, Karaoke plärrende Spinner, die sich seitdem den Blödian-Himmel mit den ebenso vereinzelt herum trottelnden Überbleibseln der Hippie-Generation teilen müssen.
Warum ich das erzähle?
Na, ganz einfach.
Lesen Sie das Ganze noch mal, aber ersetzen dabei ‚Japaner’ durch ‚Chinesen’. Dann lehnen Sie sich mit mir zusammen in aller Ruhe zurück und überdenken die Sache mal ein Weilchen. So rein europäisch/ amerikanisch schuldentechnisch betrachtet.
Und?
Grinsen Sie schon?
Ich ganz bestimmt.
Denn sind wir mal ehrlich.
Wenns um Schulden bezahlen geht:
Besser die als wir.
*Da würde ich drauf wetten. Also für den Fall, dass der damalige japanische Interessent (der kurz darauf so hurtig wie er hochgespült war, mit dem restlichen japanischen Überlegenheits-Hype im Lokus der Insolvenz verschwand) das Bild tatsächlich bekommen hätte.
NoXxLynXx - 15. Sep, 19:19